Eigentlich ist das ja die perfekte Vorstellung. Auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten und sich nebenbei in Ruhe die Welt anzuschauen. Eigene Kabine und genug Freizeit, um neue Orte zu erkunden. Klingt romantisch, oder? So, oder so ähnlich, wird’s einem ja in vielen Fernsehreportagen suggeriert.
Aber ist die Realität dann wirklich so? Ist wirklich alles Gold was glänzt?
Wie ist das eigentlich, auf einem Kreuzfahrtschiff zu leben und zu arbeiten?
Welche Route seid ihr gefahren?
Wie lange bleibt man auf dem Schiff?
Kann man auch mal runter?
Verdient man da wenigstens gut?
Und wie wohnt man da eigentlich?
Diese Fragen hören wir bis heute eigentlich immer, wenn wir erwähnen, mal auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet zu haben. Und nachdem wir diese Fragen beantwortet haben, ist das Glänzen aus den Augen unseres Gegenüber fast immer verschwunden. Wir werden auf all diese Fragen ehrlich antworten. Aus unserer persönlichen Erfahrung.
Seit Beginn meiner (Kati) beruflichen Karriere war es immer mein Traum, einmal auf einem Kreuzfahrtschiff zu leben und zu arbeiten. Es geht, wie gesagt, in diesem Beitrag nur um uns, unsere Erfahrungen und unsere Meinung zu diesem Thema. Wir haben viele Freunde und Kollegen auf Schiffen, die bis heute fahren, glücklich und zufrieden mit ihrer Entscheidung sind und sehr gerne dort arbeiten. Ich bin damals komplett blauäugig aufgestiegen und hätte mir gewünscht, einen ehrlichen Bericht über das Schiffsleben im Voraus gelesen zu haben.
Allgemeine Infos
Hermann war insgesamt 3 Verträge an Bord (= 1,5 Jahre), ich hab nach einem Vertrag beschlossen, dass das nichts für mich ist. Sechs Monate arbeiten am Stück, keinen Tag frei (188 Tage durcharbeiten). Eine ca. 8 m² Kabine zu zweit, wenn man Pech hat, ohne Fenster. Mit einer fremden Person, wobei ich da immer Glück hatte mit meinen Mitbewohnerinnen und bis heute mit ihnen in Kontakt stehe. Im schlimmsten Fall kann man sich nach einer 14 Stunden Schicht dann noch das Geschnarche seines Zimmernachbarn anhören.
Privatsphäre hat man eigentlich nur, wenn man in seinem Doppelstockbett seinen Vorhang zuzieht und sich Ohrstöpsel reindrückt. Solche Probleme lassen sich aber lösen, entweder mit Zimmertausch oder Beförderung. Im Bad hat man gerade einmal Platz, sich im Kreis zu drehen. Duschen, Toilettengang und Zähne putzen kann man alles in einem Abwasch erledigen, so klein ist es.
Verdienst
Der Verdienst kann beim Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff je nach Berufswahl stark variieren. Als ich meinen Verdienst durch die gearbeiteten Stunden teilte, war ich allerdings schockiert. Viel war das nicht. Die Zahl der monatlichen Arbeitsstunden betrug mehr als das Doppelte der Arbeitsstunden eines deutschen Normalbürgers. Lies dir das nochmal durch und lasst es auf dich wirken. So etwas erzählt einem leider niemand vor Vertragsabschluss. Das sind die Seiten des Lebens auf dem Schiff, über die nicht gerne gesprochen wird und ich weiß nicht, wie da mittlerweile die Regularien sind, aber als wir auf dem Schiff arbeiteten, war dies Gang und Gebe.
Krass, wenn wir zurückdenken, dass wir das echt durchgezogen haben.
Positiv herauszuheben ist, dass man in unserer Branche nach Vertragsbeendigung in seinem weiteren Berufsleben keinerlei Probleme haben wird, einen Job zu bekommen. Wenn einem das Schiffsleben gefällt und man Folgeverträge annehmen will, hat man gute und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten.
Häfen, die angefahren wurden (Kati's Vertrag)
Hamburg – Dover – Southhampton – Amsterdam – Rotterdam – Antwerpen – Zeebrügge – Le Havre – Santander – La Coruña – Lissabon – Cadiz – Barcelona – Palma de Mallorca – Catania – Valetta – Heraklion – Piräus (Athen) – Rhodos – Antalya – Port Said – Suez Kanal – Sokhna – Sharm el Sheik – Safaga – Aqaba – Eilat – Salalah – Muskat – Dubai – Abu Dhabi – Khalifa Bin Salam
Landgänge
Wenn man an Land geht, sind es meist nur ein paar Stunden, manchmal bleibt man overnight und kann kurz in das Nachtleben der jeweiligen Städte eintauchen. Ich hatte diesbezüglich in Eilat, Israel meine coolste Partynacht.
Bei Landgängen klappert man meist schnell die Touristenhighlights und Sehenswürdigkeiten ab, sofern sie sich in der näheren Umgebung des Hafens befinden, sucht das goldene M für kostenloses Internet (ja, Internet war auch für das Personal auf dem Schiff teuer), oder geht shoppen, Kaffee trinken oder was essen. Manchmal finden Ausflüge für die Crew statt, wenn man Zeit hat, kann man sich eintragen und mitfahren. Diese sind allerdings kostenpflichtig.
Sonnenbaden im Oman, die schnellste Achterbahn der Welt in Abu Dhabi fahren, oder in der Mittagspause mal schnell die Akropolis in Athen besichtigen. All das ist möglich, wenn man sich gut organisiert und seinen Mittagsschlaf opfert.
Es sind nur wenige Stunden, die meist mit Hetzerei verbunden sind, um wieder rechtzeitig zur nächsten Schicht parat zu stehen, dennoch sind es diese Momente, in denen man sich frei und lebendig fühlt und den Schiffsalltag für einige Stunden vergisst. Wenn Routen mehrmals hintereinander angefahren werden, hat man mehr Zeit und kann sich natürlich die Städte genauer anschauen.
Du siehst also, beim Leben und Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff muss man sich seine Zeit effektiv einteilen, damit Schlaf, Spaß und Freizeit nicht zu kurz kommen.
Schiffsleben an sich
Es gibt auf dem Schiff Bereiche, die nur für die Crew zugänglich sind. Outdoor, als auch indoor. Sowie einen kleinen Crewshop, um sich mit dem nötigsten (Zahnpasta, Süßkram usw.) auf dem Schiff einzudecken. Desweiteren eine riesige Kantine, in der sich drei mal täglich die Crew zum Essen versammelt und sich über den neusten Klatsch und Tratsch austauscht, einen Fitnessbereich oder Aussendecks zum Frischluft schnappen.
Man lernt beim Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff viele unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Nationalitäten und Hintergründen kennen, es entstehen enge Freundschaften und Beziehungen (wie in unserem Fall), die über das Schiffsleben hinaus halten können. Die Zeit auf dem Schiff schweißt zusammen, man geht zusammen durch dick und dünn, alles ist viel extremer als an Land und wird intensiver wahrgenommen. Man baut sich seine eigene, kleine Familie zusammen.
Der Crewbereich, der sich über mehrere Decks zieht, ist quasi die “verborgene Stadt”, eine Parallelwelt, über die man als Passagier nicht viel weiß und in die jeder, der Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff macht, wahrscheinlich gerne mal für ein paar Tage eintauchen würde.
Man findet von Schneidern, Friseuren bis hin zu Tätowierern alles, was es in einer normalen Stadt auch geben würde. Fast niemand der Crew besucht z.B. den Schiffsfriseur und zahlt 50 €, wenn man den selben Schnitt in der Kabine nebenan für 5 € bekommen kann. Man kann sich alle erdenklichen Dienstleistungen auf dem Schiff von anderen Crewmitgliedern erkaufen und so z.B. sein Gehalt aufbessern, wenn man ein besonderes Talent/ Fähigkeit hat. Ganz legal ist das allerdings nicht.
Bewerben
Möchtest auch du auf einem Kreuzfahrtschiff leben und arbeiten, steht an erster Stelle die Bewerbung. Der Einstellungsprozess verläuft wie überall. Bewerbung hinschicken, auf Antwort warten - zum Vorstellungsgespräch fahren, sein Bestes geben und auf ein “Ja” hoffen. Danach kann alles sehr schnell gehen, je nachdem, wieviel Crew in dem Moment auf den Schiffen gebraucht wird. Bei mir waren es vom “Ja” bis zum Aufstieg um die 7 Wochen. In dieser Zeit muss man ein kostenpflichtiges Sicherheitstraining absolvieren, ohne deren Papiere man nicht auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten darf, muss sich eine Seediensttauglichkeit vom Arzt holen, eventuelle Visa für die anzufahrenden Länder beantragen und sich ggf. impfen lassen.
Nach dem ”Ja” erfährt man auch seine genaue Position, in der man arbeiten wird, den Namen des Schiffes, auf das man aufsteigt, den Aufstiegshafen und die genaue Vertragsdauer, außer man bewirbt sich spezifisch auf ein bestimmtes Schiff.
Keine Sorge, heutzutage ist es relativ einfach, eine Stelle zu bekommen. Der Kreuzfahrt-Boom hält an, es werden immer mehr und immer größere Schiffe gebaut, die natürlich Personal benötigen.
Dementsprechend wird es für die Reedereien immer schwerer, diese ganzen Jobs mit qualifiziertem Personal zu füllen.
Fazit
Für uns beide kommt es definitiv nicht mehr in Frage, noch einmal aufzusteigen. Wir sind froh, diesen Abschnitt in unserem Leben erlebt zu haben, aber für uns persönlich gibt es einfach zu viele Kontras. Ich z.B. habe in den 6 Monaten 15 kg zugenommen. Stress, ungesunde Ernährung, zu viele Drinks. Man funktioniert irgendwann nur noch.
Am Anfang kniet man sich rein, will alles richtig machen, alles geben. Man verdrängt den Schlafmangel, die Überarbeitung, den immer gleichen Tagesablauf, den immensen Druck. Ich hatte außerdem die gesamten sechs Monate durch immer wieder mit Seekrankheit und Übelkeit zu kämpfen. Man kann oft sehen, wer gerade frisch zugestiegen ist und wer kurz vor Ende seines Vertrages steht. Gesund sieht das Ganze teilweise nicht aus.
Wir können jedem nur empfehlen: Wenn man während des Vertrages merkt, dass einem das alles nicht gut tut, sollte man keine Scheu haben abzusteigen und den Vertrag vorzeitig zu beenden. Das ist möglich, auch wenn viele Reedereien behaupten, dass dies nicht ginge. Mein Körper hat mir während meines Vertrages einige Warnsignale gegeben, auf die ich heutzutage hören würde. Damals wollte ich aber unbedingt meinen Vertrag zu Ende fahren, aufgeben kam für mich nicht in Frage.
Ob ich heute nochmal einen Job vor meine Gesundheit stellen würde, ist fraglich!
Wir nehmen aus der Zeit viele positive, aber auch sehr viele negative Erinnerungen und Erfahrungen mit. Erfahrungen, die uns niemand mehr nehmen kann. Wir wollen das Schiffsleben um Gottes Willen nicht schlechtreden, aber man sollte im Voraus wissen, worauf man sich da eigentlich einlässt. Viel Arbeit, wenig Freizeit und wahrscheinlich sieht man am Ende doch nicht so viel von der Welt, wie man sich zuvor erhofft hatte.
Am positivsten herauszuheben ist
Wir haben von der Zeit auf dem Schiff viel mitgenommen, viel gelernt, ob nun beruflich oder menschlich, wofür wir bis heute noch dankbar sind. Unsere Karrieren hat es nach vorne gebracht und uns einige Türen geöffnet.
Hätten wir beide nicht zu genau dieser Zeit genau auf diesem Schiff gearbeitet, hätten wir uns nie kennengelernt und nie unseren Seelenverwandten gefunden. Wir hätten nie begonnen so zu leben, wie wir es uns immer erträumt hatten, sondern würden wahrscheinlich immer noch in Deutschland wohnen mit dem Gefühl dieser inneren Leere, so als ob in unserem Leben etwas fehlt und wir nur leben um zu arbeiten, anstatt andersrum.
Stattdessen reisen (und arbeiten) wir seit 2012 durch die Welt. Im November 2017 haben wir den Schritt gewagt auf open end Weltreise zu gehen und unseren Traum zu leben. Und das, obwohl wir alle Papiere für unsere permanente Aufenthaltsgenehmigung für Australien vor uns liegen und bereit zur Abgabe hatten. Es hat sich in dem Moment nicht richtig angefühlt. That's life!
Danke liebes Schicksal und danke an unser Durchhaltevermögen.
Würdest du gerne auf einem Kreuzfahrtschiff leben und arbeiten? Schreib es uns in die Kommentare.
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